Mitteilung von Munich Cowboys vom 03.07.2006

Kraftvoll durch die Mitte

Die Rückennummer 55 steht im Zentrum des Spiels der Munich Cowboys Ladies. Simone Dietrichs Aufgabe ist es, das gegnerische Abwehrbollwerk aufzubrechen. Ihre Spielweise, sagt sie, sei „eigentlich genauso, wie’s von außen aussieht: Kopf runter und ab durch die Mitte“. Simone „Simse“ Dietrich macht das äußerst erfolgreich. Erneut zu besichtigen beim nächsten Heimspiel der Ladies: Am 9. Juli, um elf Uhr, gegen SG Braunschweig/Bremen, im Münchner Dantestadion. Die Ladies ohne „Simse“ – undenkbar. Ende 2006 trainiert sie genau zehn Jahre mit dem Team. Die meiste Zeit davon jagten die Cowboys Ladies dem Deutschen Meistertitel hinterher. Nachdem sie von 2001 bis 2003 dreimal in Folge Vizemeister wurden, nahm Simone Dietrich 2004 eine Auszeit vom Frauen-Football. Als sie 2005 zurückkehrte, war es endlich soweit: Platz eins, nach einer perfekten Saison.


Es war der bisherige Höhepunkt ihrer Karriere. Simone Dietrich wurde 2005 zum Most Valuable Player (MVP) des Ladies-Teams gekürt. Denn sie war der Schlüssel zum Erfolg: Mit zehn Läufen zum Touchdown, sechs Two Point Conversions und einem Safety erzielte Dietrich die mit Abstand meisten Punkte aller Cowboys-Spielerinnen. Schon drei Jahre früher, 2002, schaffte sie es in die Hall of Fame der Cowboys Ladies, als MVP der Defense. Ihre dynamische Spielweise habe dazu geführt, sagt sie. Sie sei nun mal „eine kraftvolle Läuferin“, könne nicht anders spielen, sei „nicht so schnell und wendig wie Eva Hütten zum Beispiel“. Und weil das so ist, spiele sie eben „mit Kraft und Gewalt“.

Dietrich läuft einfach in einen Pulk von Gegnerinnen hinein, macht dabei nicht selten fünf, sechs Yards und verhilft den Cowboys Ladies auf diese Art, ein neues First Down zu erreichen. Kraftvoll durch die Mitte. Football mit der Keule. Was einige ihrer Mitspielerinnen zuweilen an die Zeichentrickserie „Familie Feuerstein“ erinnert: Sie nennen Simone Dietrich auch „Bamm Bamm“. So wie das von Barney und Betty Geröllheimer adoptierte Findelkind, das über erstaunliche körperliche Kräfte verfügt. „Etwas Körpermasse ist beim Football schon von Vorteil“, weiß Simone Dietrich, „wenn sie dich nicht zu langsam macht“.


Innerhalb des Ladies-Teams gelte sie jedoch als „vielseitig verwendbar“: Mal spielt Simone Dietrich als Linebacker in der Abwehr, mal als Halfback im Angriff, gelegentlich hilft sie sogar in der Offense Line aus. „Um Löcher – wie Anfang Juni bei der Niederlage im Spitzenspiel gegen Berlin – zu stopfen. Ich habe früher regelmäßig in der Offense Line gespielt. Von daher kann ich das auch.“  


Mittlerweile ist ihre Durchschlagskraft in der Liga gut bekannt. Als sie vor zehn Jahren mit dem Footballspielen anfing, mit 16, war das ganz anders: Da musste Simone Dietrich – und sie wird das wohl nie vergessen - sogar ein ärztliches Attest vorweisen, um überhaupt spielen zu dürfen, weil sie minderjährig war. Damals wusste sie so gut wie nichts über die Sportart American Football. Und hatte auch keine große Lust, zu spielen. Dass sich das änderte, ist das Verdienst ihrer Freundin, Quarterback Conny Krause: „Die kannte ich vom Reiten. Sie hat mich überredet, mal mit ins Training zu gehen. Seitdem bin ich mit dem Football-Virus infiziert“.


Und sie ist glücklich, sich in diesem Sport ständig körperlich messen zu können. Wenn auch nicht 24 Stunden am Tag: Zwischen Montag und Freitag sitzt Simone Dietrich am Schreibtisch einer großen, bayerischen Versicherung. Ausritte auf ihrem Pferd im Dachauer Moos nutzt die 26-Jährige zur Entspannung. Weniger entspannend sind dagegen ihre Einsätze bei den Cowboys Ladies: „Du musst beim American Football immer mit dem Kopf dabei sein, musst dir eine Reihe von Spielzügen merken und schnell reagieren“, sagt Dietrich.


Jedes Jahr im Herbst, Ende September, steigt der Ladies Bowl. Nicht selten in derselben Woche, in der sie eigentlich Geburtstag feiern will. Der ist am 22. September. Der Ladies Bowl wird in diesem Jahr am 23. September ausgetragen. Simone Dietrich opfert ihre Feier zugunsten der sportlichen Fitness beim Footall-Finale. Gefeiert wird später. Wohl auch in diesem Jahr. Bislang schaut es so aus, als könnten die Munich Cowboys Ladies das Endspiel erneut erreichen. Vier Spiele haben sie bisher gewonnen. Die unnötige Niederlage gegen Berlin Kobra Ladies habe aber zunächst „den Freifahrtschein ins Halbfinale“ gekostet, sagt Simone Dietrich zur Ausgangsposition. Reicht es Ende Juli auswärts in Berlin nicht zum Sieg, geht es im Viertelfinale wohl gegen den Tabellenzweiten oder -dritten der Bundesliga Gruppe Nord. „Natürlich sind wir beim Rückspiel in Berlin nun unter Druck“, sagt die routinierte Ladies-Spielerin. „Aber dieser Druck muss ja nichts Schlechtes sein.“


Ein weiteres wichtiges Ziel: Gesund zu bleiben. Von größeren Verletzungen ist sie bislang verschont geblieben. Simone Dietrich weiß, was das wert ist, murmelt „toi, toi, toi“ und meint: „Du kannst dich im Sport nicht wirklich vor Verletzungen schützen. Weil dir bloß jemand blöd drauffallen braucht. Hast du deinen Arm oder Fuß gerade in einer ganz dummen Position, ist schwuppdiwupp irgendwas kaputt.“ Doch das ist ihr zum Glück in den letzten zehn Jahren nie passiert. Weder beim Reiten noch beim American Football.