Mitteilung von AFVD vom 24.06.1972

Schreie - wenn Fingernägel abbrechen

Frankfurter Allgemeine Zeitung 24. Juni 1972

In Amerika spielen Mädchen und Frauen jetzt auch Football

NEW YORK. Die Frauen Amerikas fühlen sich endlich befreit - sie spielen Football. Nicht etwa Fußball, das "zimperliche Geplänkel für verwöhnte Muttersöhnchen", das man in aller Welt so gut kennt, sondern Football, den rotblütigen, wilden Kampf Mann gegen Mann - jetzt Frau gegen Frau -, bei dem fast alle Griffe erlaubt sind, bei dem man mit Sturzhelmen und Unterleibsschutz, mit dick ausgepolsterten Schultern, Knien und Schienbeinen in den Kampf zieht und meistens dennoch mit lädierten Knochen vom Feld kommt. All dies gilt jetzt auch für mehr oder minder zarte weibliche Geschöpfe.

Trotz seines Namens hat Football die Eigenart, daß der Ball fast während der ganzen Spielzeit in der Hand getragen wird. Für diese neue Version von "Handarbeit" fühlten sich nun offensichtlich auch die Frauen in den USA berufen. Allerdings muß festgestellt werden, daß der Gedanke, Football auch den Damen in New York zugänglich zu machen, einem männlichen Gehirn entsprungen ist, dem des Rechtsanwalts Jim Eagen. Auf die Frage nach den Gründen gab er freimütig Bescheid: "Um Geld zu machen". Er hatte im "Wallstreet Journal" einen kurzen Bericht über ein improvisiertes Damen-Footballspiel gelesen, bei dem 6000 Zuschauer je drei Dollar Eintritt zahlten. Diese 18.000 Dollar haben ihn auf die Idee gebracht. Er setzte Annoncen in Zeitungen und suchte forsche junge Damen für die sportliche Pioniertat. Über 300 Forsche meldeten sich; die 40 forschesten davon wählte Jim Eagen aus. Sie bilden nun den Grundstock der ersten New Yorker Footballspielerinnen-Mannschaft die sich "The New York Fillies" nennt - was in Wörterbüchern ungalanterweise mit "Stuten" übersetzt wird.

Unter diesen "Stuten" befinden sich Postbeamtinnen und Sekretärinnen, Telefonistinnen und Mütter. Ihr Alter bewegt sich zwischen 19 und 40, ihr Gewicht zwischen 120 und 300 Pfund. Ein ausgedienter College-Trainer hat die "Fillies" drei Monate lang unter seine Fittiche genommen. Ein erstes Spiel zu arrangieren war nicht schwer. Denn inzwischen hatten sich im Westen des Landes die "Western Cowgirls" organisiert.

Das sporthistorische Ereignis wurde als Abendveranstaltung im New Yorker Randall-Stadion inszeniert. Die "Fillies" hatten gehofft, daß ihre Wendigkeit den Vorsprung der weit gewichtigeren "Cowgirls" - die schon sechs Monate Training hinter sich hatten - völlig ausgleichen könnte. Doch die "Cowgirls" beherrschten das Feld, daß streckenweise stark an den Anblick eines Hofes mit aufgescheuchten Hühnern erinnerte. Schmerzensschreie, die - wie später festgestellt werden konnte - auf abgebrochene Fingernägel zurückzuführen waren, gaben dem Kampf mitunter dramatische Akzente.

Pat Hambel, eine zwanzigjährige Bankangestellte und Star der "Fillies", verteidigte die weiblichen Footballspielerinnen; "Es gibt Zeiten, in denen man eine Lady ist und es gibt Zeiten, in denen man Football spielt". Und mit Nachdruck fügte sie hinzu: "Außerdem sind wir Idealistinnen und wollen einen neuen Sportzweig zum Durchbruch verhelfen."

Das mit dem Idealismus scheint zu stimmen: Die jungen Damen erhalten pro Spiel 25 Dollar. Und die Zuschauer waren Ehemänner, Schwestern, Freundinnen und Verehrer der Spielerinnen.

Arthur Steiner