Ein Bericht von Isabell Ruinier (1997) / #34 Hanau Witches

Ich heiße Isabelle Ruiner und spiele seit drei Jahren Football. Ich denke, daß die häufigste Frage, die sich Zuschauer bei Damenspielen stellen werden ist: „Wieso spielt Ihr ausgerechnet Football?“ Nun die Antworten auf diese Frage sind vielfältig. Ich z.B. spiele Football

  • weil ich für Schach zu blöd bin, für Fußball aber wiederum zu intelligent.
  • weil es den Tennisrock in dem ich gut aussehe noch nicht gibt
  • weil meine Mutter es nicht gut findet (meine Oma übrigens auch nicht)
  • weil ich in einem Ballett-tutu eine absolute Lachnummer abgebe
  • weil ich als Kind mit Handarbeiten ein traumatisches Erlebnis hatte.

Jetzt aber mal Spaß beiseite. Die Gründe warum wir alle Football spielen sind so verschieden wie es die Spielerinnen selbst sind, wobei ich denke, daß meine Geschichte wohl die untypischste aus dem Team ist.

Die meisten Spielerinnen kamen durch die Mannschaft zu dem Sport, ich wiederum hatte den Sport schon lieben gelernt lange bevor ich die Mannschaft kannte oder wußte, daß es in Deutschland überhaupt Damenteams gibt. Meine Football Leidenschaft begann etwa 1988. Hervorgerufen wurde sie teils durch gelegentliche Besuche von Spielen in der Umgebung wohl aber größtenteils durch die Fernsehübertragungen der Profispiele (NFL / College) aus den USA, anhand derer ein fachkundiger Freundeskreis mir den Sport näherbrachte. Schnell war ich so begeistert, daß meine Besuche auf den Spielen regelmäßiger wurden und ich nur noch ungern ein Spiel verpaßte (sowohl am TV als auch auf den Sportplätzen). Daran hat sich übrigens bis heute nicht viel geändert. Meine Faszination zu erklären ist schwierig, da sie sich nicht nur auf den Sport an sich beschränkt sondern wohl auch teilweise in der Atmosphäre, die diesen Sport begleitet ihren Ursprung hat. Profispiele in den USA haben eine durchschnittliche Zuschauerzahl von 60.000 70.000, wobei die jüngsten Fans im Säuglingsalter sind und die ältesten das Rentenalter weit überschritten haben. Es sind größtenteils ganze Familien, die am Wochenende ins Stadion strömen, um „ihr“ Team anzufeuern. Wer keine Karte mehr bekommt kann rund um das Stadion an den berühmten „Tailgate-Parties“ (eingefleischte Fans, die zum Teil schon seit zwei Tagen auf den großen Parkplätzen campieren und mit viel guter Laune grillen, trinken und feiern) teilnehmen, und von dort aus das Spiel auf Großbildleinwänden verfolgen. Und wen es nicht vor die Haustür zieht, der lädt Freunde und Nachbarn zu sich nach Hause ein, um so ebenfalls (in meist großer Runde) mit Bar B Q, Popcorn, Chips & Dip und viel Spaß die wöchentlichen Spiele zu verfolgen. In den USA ist Football ein „social event“.

Weiterhin beeindruckt mich die Tatsache, daß trotz sehr hoher Zuschauerzahlen und der wohl offensichtlichen Emotionsgeladenheit und „Härte“ des Sports selber, diese Spiele unter völliger Abwesenheit von Gewalt stattfinden. Daß nach einem Spiel ein Mob völlig betrunkener Fans durch die Straßen zieht, sich prügelt, Scheiben einwirft, Autos zertritt oder sonstwie randaliert, wie es hier leider noch viel zu oft nach Fußballspielen passiert, ist in den USA völlig undenkbar. Der einzige Kampf an dem das dortige Publikum interessiert ist, ist der sportliche Wettkampf auf dem Spielfeld. Glücklicherweise hat dieser Sportsgeist (zumindest weitläufigst) die Reise über den großen Teich mitgemacht und läßt sich somit auch auf den meisten deutschen Footballplätzen und in den meisten Stadien wiederfinden. (Als ich beispielsweise letztes Jahr dank Freikarten einem Galaxy Spiel beiwohnte, wollten es sich ein paar Idioten nicht nehmen lassen, in einem Block nicht weit von uns Streit anzufangen. Doch schon Sekunden später wurden sie von 20.000 Fans lauthals ausgebuht und verließen unter Ausrufen wie: „Wenn Ihr Euch unbedingt prügeln wollt, geht wieder zurück zum Fußball!“ das Stadion.)

Der Sport selber bzw. der Spielablauf ist zugegebenermaßen am Anfang für Laien schwer verständlich und läßt Aussagen wie: „So’n Blödsinn, erst stehen alle ewig rum und labern, dann passiert 3 Sekunden lang was und alle liegen auf dem Boden und dann labern sie wieder stundenlang“ durchaus nachvollziehbar erscheinen. Erst bei genauerem Hinsehen zeigt es sich, daß dieser Ablauf doch sinnvoller ist, als man dachte, und daß hinter jeder Aktion so absurd sie einem wie gesagt am Anfang auch erscheinen mag viel Überlegung, viel Planung und noch viel mehr Taktieren steckt. Ich glaube, daß genau in diesem Widerspruch, daß ein auf den ersten Blick so rein körperlich wirkender Sport auf den zweiten Blick und in Wirklichkeit so anspruchsvoll, komplex (!!!!) und fast ausschließlich auf Taktik basierend sein kann, ein Hauptgrund liegt für meine Faszination. Auch wenn man es nicht glauben mag: „Football is a mind game!“

Ein weiterer ganz wichtiger Punkt, der meiner Meinung nach diesen Sport attraktiver macht als jeden anderen ist folgender: Während bei den meisten Teamsportarten wie z. B. Fußball nahezu immer ausschließlich die Punkte (z.B. Tore) die Höhepunkte des Spiels darstellen, so werden beim American Football kurze Einzelaktionen wesentlich mehr akzentuiert und das, obwohl sie nicht zwingend zu Punkten führen. Selbst bei einem vom Punkteergebnis her enttäuschenden Spiel kann der Unterhaltungswert durch eben solche Einzelaktionen z.B. eine wunderschön zwischen zwei Defendern gefangener Pass, tolle Blocks von einem Pulling Guard, ein Quarterback-Sack, ein spektakulärer Run oder Kickoffreturn oder ein schöner Tackle im Backfield, trotzdem sehr hoch gewesen sein. Diese Attraktivität ist einer der Gründe, warum ich selbst Spiele von Mannschaften, die ich nicht besonders mag ungern verpasse es gibt eigentlich immer irgend etwas Interessantes / Spektakuläres zu sehen.

All diese Gründe und mehr (wenn ich alles aufzählen wollte, würde dies den Rahmen sprengen) haben mich für diesen Sport begeistert und sorgen dafür, daß meine Begeisterung selbst nach 10 Jahren noch ungebrochen ist. Daß ich selbst erst seit knapp 3 Jahren spiele, liegt schlicht und ergreifend daran, daß ich vorher über die Existenz von Frauenteams nichts wußte. Erst als ein ehemaliger Spieler der Darmstadt Diamonds versuchte ein Damenteam ins Leben zu rufen, bot sich mir die seit langem ersehnte Möglichkeit. Seitdem bin ich zwar mit Teamwechseln aber trotzdem ohne Pause dabei, und könnte mir ein Leben ohne Football gar nicht mehr vorstellen, denn selbst wenn ich vorher schon begeistert war, so hat das aktive Spiel in einem Team noch eine große Zahl an positiven Komponenten hinzugefügt. So wäre da z. B. die Tatsache, daß man auch mit mehr oder weniger idealen körperlichen Voraussetzungen Football spielen kann allein der Wille und der Spaß am Sport sind wichtig.

Da ist die Freundlichkeit und Aufgeschlossenheit mit der „Neue“ im Team empfangen werden. Ich z. B. habe mich, kurz nachdem ich vom „Rivalen“ nach Hanau wechselte, bei einem Spiel mittelschwer verletzt und bin (obwohl mich kaum einer richtig kannte) ohne zu zögern und vollkommen selbstverständlich bei 2 Spielerinnen einquartiert und dann eine Woche gepflegt worden. An dieser Stelle nochmals herzlichen Dank an meine 3 Krankenschwestern Miri, Sneza und Tanja. Weiterhin finde ich es toll, daß wir „on and off the field“ ein Team sind, d.h. auch zusammen weggehen, Videos gucken, Parties veranstalten, Beistand leisten und was Freunde eben noch so alles machen. Daß wir ein gesundes Verhältnis zum Spiel haben und nicht alles auf ein Sieg/Niederlage Verhältnis reduzieren. Man kann trotz Niederlage gut gespielt und gekämpft haben und daher wird bei Frauen nach mancher Niederlage ausgiebiger gefeiert als bei vielen Männerteams nach einem Sieg.

Und nicht zuletzt, daß man die Gelegenheit hat mit Leuten Freundschaften zu schließen ( auch außerhalb vom „eigenen“ Team) mit denen man ohne Football wahrscheinlich nie Berührungspunkte gehabt hätte und von denen ich jetzt hiermit ein paar grüßen möchte:

Gabi #10/ Nürnberg
Tanja #77 / Nürnberg
Biggi #30 / Nürnberg „Das kleine Miststück…“
Maren #22 / Köln
Christel #22 /Frankfurt
Charlotte #34 / Frankfurt (Paaaaahdy)
Kirsten #69 / Frankfurt ( Gute Besserung!)… usw.

Hiermit möchte ich schließen und ich kann nur hoffen, daß es mir gelungen ist ein paar Vorurteile abzubauen, ein paar Fragen zu beantworten und vielleicht sogar etwas Interesse zu wecken.

Der Nächste Kickoff kommt bestimmt.

Sincerely # 34

Isa