Der Gegner heißt USA, die Sportart heißt American Football. Egal ob nun Männer spielen oder wie am Samstag Abend bei der WM im finnischen Vantaa die Frauen der deutschen Nationalmannschaft gegen die Kameradinnen aus Übersee: Über den Favoritenstatus braucht man erst gar nicht zu reden. Natürlich ließ Head Coach Tom Balkow in Frankfurt beim letzten Training vor der Abreise im Video noch wissen, dass er jedes Spiel angeht, um es zu gewinnen.
Und selbstverständlich hat die Mannschaft auch in Vantaa nach der Ankunft ein volles Programm an theoretischer und praktischer Vorbereitung absolviert, immer mit dem Hintergedanken, eben doch für den einen oder anderen überraschenden Moment sorgen zu können. „Wir wissen, dass der deutsche Frauen-Football in den vergangenen Jahren enorme Fortschritte gemacht hat“, sagt Balkow. „Wir haben die stärksten Spielerinnen hier, das Team ist in der Vorbereitung zusammengewachsen. Die Freude, endlich wieder – oder für viele ja das erste Mal – die Nationaltrikots tragen zu dürfen, kommt hinzu. Die Stimmung ist so gut, dass uns auch Rückschläge nicht aus der Bahn werfen sollten.„
Was genau man sich ausgedacht hat, um am Samstag ab 18:30 Uhr deutscher Zeit im Stadion Myyrmäki in Vantaa vor den Toren Helsinkis gut ins Turnier zu starten, bleibt erst einmal das Geheimnis von Coaches und Mannschaft. Offensichtlich ist, dass vor allem die Verteidigung von Defensive Coordinator Imke Steinmöller Heidenarbeit zu verrichten haben wird. Steinmöller, die selbst 25 Jahre bis 2011 in den Pionierzeiten des deutschen Frauen-Footballs gespielt hat und seither coacht, weiß, dass eine starke neue Generation an Spielerinnen herngewachsen ist, aber auch um die Schwere der Aufgabe: „Klar, das sagt sich so leicht, jede müsse das ganze Spiel über hochkonzentiert sein. Aber in solch einem Spiel, wie es uns erwartet, da geht auch mal was schief. Wichtig ist, wie man damit umgeht. Wie man das schnell hinter sich lässt, im nächsten Play wieder voll da ist und das abruft, was im Training bisher so gut funktioniert hat.„
Steinmöller war auch bei der EM 2015 bereits Defensive Coordinator des Frauen-National-Teams, das damals in den drei Spielen in Spanien übrigens die wenigsten Gegenpunkte aller sechs Teilnehmer zuließ, auch wenn es nur zu Bronze reichte. Aber das waren europäische Gegner, nun wartet die USA. Head Coach der Amerikanerinnen ist Callie Brownson, im Hauptberuf Chief of Staff der Cleveland Browns der NFL und dort in einigen Spielen auch als Assistant Coach an der Seitenlinie schon eingesprungen. Die Amerikanerinnen setzen auf zwei landesweit agierende Liga-Organisationen für Frauen-Football, die 2009 gegründete Womens Football Alliance (WFA) mit zuletzt 59 Teams in drei Leistungsklassen und die 2019 hinzugekommene Womens National Football Conference (WNFC) mit weiteren 21.
Die jeweiligen Serienmeister der letzten Jahre, Boston Renegades und Texas Elite Spartans, stellen die größten Spielerkontingente im Kader, vor allem fällt auf, dass die Offensive Linewomen fast alle für einen der beiden Champions spielen. Zwar setzten die Amerikanerinnen zusätzlich auf einen harten Ausleseprozess von Tryouts und Vorbereitungs-Camps, um die besten Einzelspielerinnen für alle Positionen zu finden. Aber mit einer „Blockbildung“ auf eine aufeinander eingespielte Offensive Line zu bauen, ist natürlich auch für einen dreifachen Weltmeister wie die USA eine gern genutzte Ausgangsbasis auf dem Weg zur angestrebten Titelverteidigung.
Bei den Deutschen, deren Damenbundesliga mit ihrer ersten Saison 1990 weitaus älter ist als die beiden aktuellen US-Ligen und damit überhaupt die älteste existierende Frauen-Football-Liga der Welt, ist es ja auch nicht völlig anders: Serienmeister Berlin Kobra Ladies und die Munich Cowboys bilden hier das Grundgerüst der Offensive Line. Das kleine Football-Einmaleins beherrscht man in Deutschland längst. Wie viel mehr noch von den Amerikanerinnen zu lernen sein könnte, zeigt sich am Samstag in Vantaa.